31.07.05 Sonntag
Da Grit keine Lust auf eine Tour hatte, machte ich mich nach dem
Frühstück fertig zu einer Fahrt zum Gipfel des Ipsarion,
dem höchsten Berg von Thassos. Sicherheitshalber nahm ich
aber diesmal auch meinen mit GPS ausgerüsteten PDA mit, auf
dem sich
eine topografische Karte von Thassos befand. Im Tank meiner Enduro
war auch noch genug Sprit. Startpunkt war Maries, von wo aus eine
Schotterpiste (oder Dirty Road, wie sie in
Karten genannt wird) zum Gipfel führte. Vorbei an zahlreichen
Bienenstöcken und durch schöne Wälder erreichte
ich als erstes den malerisch gelegenen See von Maries. Nahm man
die 2. Möglichkeit, die zum See führte, so konnte man
über einen Steinwall am Anfang des Sees durch das schattige
Bachbett zu den oberhalb gelegenen Wasserfällen wandern.
Für Ende Juli floss erstaunlich viel Wasser. Menschen traf
ich hier kaum und so genoss ich die Natur, den leise in den Bäumen
raschelnden Wind und das Plätschern der Wasserfälle.
Vorbei an zahlreichen Ziegen fuhr ich weiter Richtung Gipfel.
Kurze Zeit später tauchte ein Wegweiser zum Ipsarion auf,
der sowohl mit griechischen, als auch mit lateinischen Buchstaben
beschriftet war.
Die griechische Schreibweise sollte man sich, wenn man sie nicht
deuten kann, gut einprägen, denn ab hier kamen nur noch griechisch
beschriftete Schilder. Die
serpentinenreiche recht gut zu befahrende Schotterpiste schraubte
sich immer höher, meistens begleitet von einem reichen Waldbestand.
Von Kurve zu Kurve bekam ich einen ständig wechselnden traumhaften
Ausblick über die einsame Landschaft, die Bergrücken
und Täler. Auf andere Menschen sollte ich längere Zeit
nicht mehr treffen. Wenn ich stattdessen mal auf eine Gruppe Ziegen
traf, so bekam ich zu Anfang schon mal einen Gänsehaut, da
die Erinnerung an Samos mit unserer negativen Erfahrung mit einer
Ziegenherde und den bissigen Hunden noch im Hinterkopf saß.
Aber hier gab es scheinbar gar keine Hunde, die die Schafe bewachten.
Mittlerweile hatte ich eine Höhe von 900 Metern ü.N.N.
erreicht und machte einen Stopp bei einem Hinweisschild zu einer
Bergwanderhütte. Mit dem Ausschalten des Motors war nur
noch Stille um mich herum. Nur noch die Natur und ich. Selbst
Vögel waren in dieser Höhe nicht mehr zu hören.
Stille und die Weite um mich herum gaben mir das Gefühl,
allein auf der Welt zu sein. – Genug geträumt. Die
„Straße“ wurde nun immer steiler und immer schlechter
zu befahren, bis ich schließlich mein Bike unterhalb des
Gipfels in der Nähe der großen Eisenplattform abstellte,
die eigentlich mal als Standort für eine Radaranlage der
Militärs dienen
sollte. Sie machte einen ziemlich demolierten Eindruck, was auf
den Widerstand der Thassioten zurückzuführen war, die
gegen den Bau dieser Anlage waren. Betreten sollte man sie auf
keinen Fall, da viele Haltebolzen einfach mit einer Flex durchgetrennt
worden waren. Nur noch ein paar Meter und ich stand auf dem höchsten
Gipfel von Thassos in 1206 Metern ü.N.N. Was sich mir hier
für ein Rundblick bot, war unbeschreiblich und lässt
sich auch fast gar nicht in Worte fassen: der zweithöchste
Gipfel von Thassos, über Panagia auf die Bucht vom Golden
Sand mit Potamia, das griechische Festland, das bergige Hinterland
bis zum Kastro und darüber hinaus bis zum Meer bei Limenaria.
Leider war es recht dunstig, so dass viel im Dunst nur zu erahnen
war. Nach einer ausgiebigen Pause und dem Eintrag in das Gipfelgästebuch
(liegt in einem gelben Kasten am Gipfel) machte ich mich auf den
Rückweg, auch, da mein Wasservorrat so langsam zur Neige
ging und der leere Magen sich meldete. Da ich nicht wieder über
Maries zurückfahren
wollte, war ich froh, dass ich irgendwann ein Schild mit der Aufschrift
„Theologos“ entdeckte (in griechischer Schreibweise
natürlich) und folgte ihm. Dies ging so lange gut, bis das
nächste Schild an einer Weggabelung genau zwischen zwei Wege
zeigte. Hm? Mittels meines GPS-Empfängers hätte ich
den Weg natürlich finden können, aber zufällig
sah ich noch ein eindeutiges Schild: -> „Kosta’s
Taverne (Kastro)“. Da mein Magen nun wirklich auf Reserve
lief, ließ ich also meinen leeren
Magen den Weg festlegen. Auf zum Kastro. Das Fahren mit der Enduro
durch diese abwechselungsreiche Landschaft mit immer neuen Ausblicken
machte richtig Gaudi. Kurz vor dem verlassenen Kastro-Dorf traf
ich wieder auf die ersten Menschen. Müde finnische Wanderer,
die von Limenaria aus zu Fuß zum Kastro gelaufen waren.
Bei den Temperaturen und zumal noch mit einem Kleinkind im Kinderwagen
eine erstaunliche (oder verrückte?) Leistung. Kosta’s
Taverne lag mitten in dem ausgestorbenen Dorf neben einer Kirche,
die, wie er mir später stolz zeigte, von innen und außen
in einem Topzustand war. Sie wurde mit einem 30 cm großen
Schlüssel geöffnet und machte mit den im Innenraum brennenden
Kerzen den Eindruck, als würde hier gleich ein Gottesdienst
stattfinden. Er erklärte mir in recht gutem Deutsch, dass
dieser Zustand durch Spenden von Einheimischen aus Limenaria ermöglicht
wurde, die früher hier gewohnt hatten. Eine Geisterkirche
in einem Geisterdorf. Vor der Taverne nahm ich in aller Seelenruhe
einen griechischen Salat zu mir und trank eine Cola. Beides zusammen
für 4,50€. Erstaunlich, da Kosta alles mit seinem blauen
L200 Pick-Up über die Holperstraße hierher bringen
musste. Geöffnet hat Kosta seine Taverne von ca. 10:00/11:00
Uhr bis Sonnenuntergang. Mein Rückweg führte mich jetzt
über die holperige aber recht gut zu befahrende Erdstraße
nach Limenaria. Die tief stehende ägäische Sonne tauchte
den Hafen und den darüber liegenden Palast in ein phantastisches
Licht (18:30 Uhr). Wieder im Hotel Atrium, sprang ich erst mal
in den menschenleeren Pool bevor wir dann wieder zusammen in der
Taverne „Garden of Sense“ an der Küstenstraße
zum Abendessen gingen.
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