Mo., 28.11.11
Heute zog es mich an die Nordküste von Madeira
und Grit erneut nach Funchal zum Bummeln. Also setzte ich sie in der
Hauptstadt ab und fuhr weiter Richtung
Ribeira Brava. Von dort aus führte die ER104 durch einen Bergeinschnitt
nach Norden. Kurz vor Serra de Agua musste ich mich
entscheiden, den langen Tunnel nach Sao Vincente zu nehmen oder doch
lieber die alte Landstraße ER228 durch die Berge zu fahren.
Da ich etwas von der schönen Landschaft Madeiras sehen wollte,
entschied ich mich für die Landstraße. Diese Strecke dauerte
natürlich nicht nur länger, sondern war auch nichts für
Fahrer, die keine Kurven mögen. Ich hätte aber auf jeden
Fall lieber noch die BMW 650GS gefahren. Zügig gewann ich mit
jedem gefahrenen Kilometer an Höhe und erreichte schließlich
auf einem Bergkamm (Encumeada-Pass) eine Straßengabelung,
wo von der ER228 die ER110 über das Hochland direkt nach Westen
und Porto Moniz abzweigte. Ein weiter Blick bot sich von hier über
das gebirgige Hinterland von Madeira. Obwohl die Sonne immer noch
kräftig schien,
war es aufgrund der Höhe von nunmehr über 1000m über
N.N. merklich kühler geworden.
Interessanterweise zeigten die Hinweisschilder in beide Richtungen
nach Porto Moniz und Sao Vicente. Ich entschied mich für den
kürzeren Weg an der Nordküste entlang und erreichte schließlich
nach zahllosen Serpentinen und der Fahrt durch üppige Wälder
wieder die ER104, die der Tunnel wieder ausgespuckt hatte, und folgte
ihr bis Sao Vicente. Der direkt an der Nordküste
gelegene Ort, durch ein Felsmassiv vor Meereseinflüssen geschützt,
hatte ja so gar nichts zu bieten. Mit dem Auto war in fünf Minuten
schon alles gesehen (zu Fuß sollten maximal 10 Minuten reichen).
Als einzige Attraktion bot sich hier nur der Besuch der Lava-Höhlen,
der Grutas de Vicente, mit dem Informationszentrum
für atlantischen Vulkanismus an. Das sparte ich mir aber und
fuhr weiter zur Küstenstraße ER101, die parallel zum grob
kiesselige Strand verlief, der auch im Hochsommer wegen des rauen
Meeres nicht zum Baden geeignet ist. Auf der anderen Seite der Straße
ragte die Steilküste in den Himmel. Meine weitere Fahrt sollte
mich an einem bestimmt 100m hohen Wasserfall vorbei und dann durch
den ersten von etlichen Tunneln führen.
Eigentlich wollte ich ja die alte einspurige Steilküstenstraße
„Antiga ER101“
unterhalb der Felsen und direkt oberhalb des Meeres nehmen, aber schon
am Anfang stand aufgrund von Erdrutschen ein Sperrschild (siehe auch
unsere Madeira-Filmgalerie auf Youtube).
Welcher Madeira-Urlauber kennt diese Strecke nicht von zahlreichen
Postkartenmotiven, auf denen zu sehen ist, wie ein Kleinbus sich die
schmale in den Fels gehauene Straße mit dem Wasserfall entlang
quält. Ich hatte vorher erst überlegt, ob ich es wegen des
eventuell drohenden Steinschlages überhabt wagen sollte, diese
Route zu nehmen, aber das hatte sich ja nun erübrigt.
Bis Seixal musste ich wohl oder übel die modern nach europäischem
Standart gebauten Tunnel nutzen. Alle weiteren Abzweige zur Antiga
ER101 waren auch gesperrt. Seixal selbst stellte
sich als kleiner verschlafener Küstenort ohne großartige
Infrastruktur dar. Bei einem kurzen Stopp und SMS-Austausch mit Grit,
die ja immer noch in Funchal weilte, bewahrheitete sich wieder das
größtenteils übliche Süd-/Nord-Wettergefälle:
bei mir war es stark bewölkt und gerade noch 19 Grad und im Süden
von Madeira schien die
Sonne vom wolkenlosen Himmel bei 25 Grad. Na egal, weiter gings.
Plötzlich ergab sich auf etwa halber Strecke zwischen Seixal
und Ribeira da Janera zwischen zwei Tunneln die Gelegenheit, auf die
Antiga ER101 abzubiegen. Weit kam ich aber auch hier nicht; gesperrt
wegen Erdrutsch. Die einzige Möglichkeit weiterzukommen, bestand
darin, dem Schild durch einen weiteren Tunnel nach Ribeira
Funda zu folgen. Ein bisschen Abenteuer musste sein und so
fuhr ich in den steil nach oben führenden dunklen Tunnel ein.
Wasser lief von den nahen Wänden und von der niedrigen naturbelassenen
Felsdecke ergoss sich weiteres auf das Autodach. Schon irgendwie gruselig.
Nach ein paar engen Serpentinen hinter dem Tunnel war auch hier bei
zwei mitten in den Fels gebauten Häusern Schluss. Ich war in
einer Sackgasse. Ein paar Einheimische musterten mich wie ein Ankömmling
von einem anderen Stern ;-). Vorsichtig tastete ich mich im niedrigen
Gang zurück auf die ausgebaute Küstenstraße.
Bevor ich Porto Moniz am nördlichen Ende von Madeira erreichte,
machte ich noch einen Abstecher nach Ribeira da Janela
(Janela = übersetzt Fenster), einem Ort mit ein paar verstreuten
Häusern, der am Ende eine Felsschlucht liegt, die ins Meer mündete.
Zu sehen gab es nur ein kleines Wasserkraftwerk und die markant
aus dem Meer hervorragende Felsnadel. Zu dieser Jahreszeit
war ich hier bis auf einen Angler, der an dem Kiesstrand sein Glück
versuchte, der einzige Mensch weit und breit.
Porto Moniz hatte da schon etwas mehr zu bieten.
Nachdem ich wieder mal ein Tunnel hinter mir gelassen hatte, lag der
als Badeort im Sommer beliebte Ort vor
mir mit seinem durch eine lange Kaimauer geschützten Hafen. Direkt
daneben ein altes Fort mit Aquarium und Hubschrauberlandeplattform.
Daran anschließend begann die breite sich fast die ganze Bucht
entlang ziehende Uferpromenade mit den ersten natürlich entstandenen
Lava-Schwimmbecken (scheinbar im Sommer kostenlos
zu benutzen; jetzt waren sie aber abgesperrt). Den Ausdruck Schwimmbecken
würde ich für etwas übertrieben halten, denn es handelte
sich eher um kleine flache Bade-Tümpel zwischen schroffen schwarzen
Lavafelsen. Kleine Mäuerchen trennten die Becken vom offenen
Meer, was die Beliebtheit im Sommer bei Familien mit Kindern erklärte,
denn die umliegenden Kiesstrände waren wegen der oft recht rauen
See an der Nordküste nicht unbedingt zu empfehlen. Auch ein Restaurant
mit Terrasse befand sich hier, und so stärkte ich mit mitten
zwischen erstarrter Lava und bei leiser Musik, die aus zwischen den
Felsen versteckten Lautsprechern kam, mit einem kleinen Snack zu recht
günstigen Preisen.
Am anderen Ende der Promenade gab es eine weitere Bademöglichkeit
(Piscina Naturais). Etwas großzügiger
gehalten mit größeren Becken und mit entsprechender Infrastruktur
wie Duschen, Umkleiden und Liegeflächen, aber gegen geringe Eintrittsgebühr
von 1,25€ (s. auch Video
in unserer Film-Galerie auf Youtube).
Ansonsten war, außer ein paar Souvenirläden, Restaurants
und ein paar Wohnhäusern bzw. Hotels, nicht viel mehr in Porto
Moniz zu sehen. Der sehr einsam am äußersten Nordende von
Madeira gelegene und touristisch kaum erschlossene Ort war wohl mehr
ein Ziel für Individualisten und Wanderer, die die von hier aus
mit dem Auto recht gut zu erreichenden Wandergebiete um Fanal,
Rabacal und die Schlucht des Ribeiro da Janela
erkunden wollten. Wegen der fortgeschrittenen Zeit machte ich mich
so langsam wieder auf den Rückweg nach Canico de Baixo. Vorbei
an dem eigentlichen Ortkern mit der Bank, der Kirche und dem Gesundheitszentrum
erreichte ich aufgrund der steilen Serpentinen mit meinem Auto schnell
wieder an Höhe. Noch ein letzter Blick auf Porto Moniz und das
Meer, bevor mich dann die kurvenreiche Landstraße immer weiter
in Richtung Hochland führte. Plötzlich stand hinter einer
Kurve mitten auf der zweispurigen Straße ein Kuh. Sie gehörte
zu einer ganzen Herde, die hier frei herumlief und nach Futter suchte.
Etwas skeptisch und sehr vorsichtig schlich ich vorbei, obwohl sie
scheinbar, trotz des wenigen Verkehrs, an vorbeifahrende Autos gewöhnt
war, denn sie drehte nur wie in Zeitlupe den Kopf mit den Hörnern
ein wenig zu mir und schaute neugierig ins offene Autofenster. Glück
gehabt. Nur so als Tipp: in diesem Bereich immer vorsichtig um Kurven
fahren und mit unvermittelt auftauchenden Kuhherden rechnen!
Diese Begegnung sollte nämlich für mich nicht die einzige
bleiben.
In der Nähe des Parque Empresarial do Porto Moniz (scheinbar
so was wie eine LKW-Werkstatt) traf ich auf die ER101, die ich nur
ein Stück fahren musste, aber nicht zu lang, denn sonst hätte
ich die Route über Ponta do Pargo und Calheta erwischt. Ich wollte
aber über die Hochebene Paul da Serra. Leider
ließ an der nächsten Straßengabelung die Beschilderung
etwas zu wünschen übrig. Keinen der dort aufgeführten
Orte fand ich auf der Karte und so folgte ich meinem Gefühl:
links halten, obwohl es von der Richtung schon fast wieder nach Porto
Moniz zurückzuführen schien. Mittlerweile wurde an manchen
Stellen die Orientierung noch schwerer, denn ich bewegte mich inzwischen
auf so einer Höhe, dass ich durch dichte tief hängende Wolken
fuhr. Aber ich hatte die ER110 erwischt. Wieder Glück gehabt,
denn fragen hätte ich hier niemanden können; ich bewegte
hier weit und breit das einzige Auto. Und daran sollte sich auf den
nächsten Kilometern bis zum Encumeada Pass auch so gut wie nichts
ändern.
Die Vegetation änderte sich gewaltig. Nicht
mehr die dichten Wälder links und rechts, wie sonst auf Madeira
üblich, sondern nur noch knöchelhoher magerer Bewuchs. Auch
ungewohnt: die Straße verlief kilometerlang nur geradeaus. Kurz
hinter dem Abzweig nach Rabacal, einem beliebten
Ziel für Wanderer (Zufahrt nur mit Pendelbus bzw. zu Fuß),
erreichte
ich eine gut ausgebaute fast rechtwinkelige Kreuzung. Hier trafen
sich auf 1444m ü. N.N. Straßen aus vier
Himmelsrichtungen und verbanden den Süden (etwa Ponta do Sol)
mit dem Norden (Ribeira da Janela) und den Osten (bis zum Encumeada-Pass)
mit dem Westen. Ein „Hochebenen-Video“ seht Ihr in unserer
Madeira-Filmgalerie auf unserem Youtube-Kanal.
Wer vorhatte, in dieser Gegend zu wandern, der sollte sich warm anziehen:
das Autothermometer zeigte T-Shirt unfreundliche 5 Grad.
Ein Blick auf die etwas später beidseitig der Straße gebauten
zahlreichen Windräder zur Stromerzeugung blieben mir aufgrund
des teilweise recht dichten Nebels versagt. Erst auf Höhe des
Passes, an dem ich Richtung Ribeira Brava abbog, lichteten sich die
Wolken wieder etwas. Je mehr ich mich der Südküste näherte,
desto wärmer und sonniger wurde es auch, bis endlich wieder 22
Grad auf dem Display im Auto stand. Gut, dass wir die Südküste
für unseren Hotelaufenthalt gewählt hatten, denn irgendwie
war es hier immer schöner vom Wetter, als im Norden von Madeira.
Das letzte Stück meiner Tour war dank der Autobahn schnell bewältig
und wir ließen, nun wieder zusammen, den den ereignisreichen
Tag im Hotelrestaurant Atlantico bei einem leckeren Essen und danach
mit einem guten Cocktail in der Capoeiro-Bar ausklingen.
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